Dr. Marita Haibach
Großspenden-Fundraising und die Gewinnung von Großspender:innen sind Bereiche, bei denen ich mich eigentlich gut auskenne, doch das Thema „Keine Scheu vor Großspender:innen“, das mir die Veranstalter:innen des Mitteldeutschen Fundraisingtags für den Eröffnungsvortrag am 14. März 2023 in Jena aufgegeben hatten, hat mich dazu angeregt, einige Aspekte aus einem erweiterten Blickwinkel zu betrachten.
So manche werden sich fragen: Gibt es tatsächlich eine Scheu vor Vermögenden? Ich kenne viele Fundraisende für die der Umgang mit Reichen eine Selbstverständlichkeit ist bzw. geworden ist. Doch gleichzeitig begegnet mir die Tatsache immer wieder: Viele Fundraisende haben in der Tat Berührungsängste, wenn es gilt, sich mit vermögenden Menschen wegen einer Spende in Verbindung zu setzen oder gar Gespräche mit diesen führen zu „müssen“.
Die eigene Geldbiographie – Ursache für unsere Einstellung zu Reichtum und Reichen
Bei unserer Einstellung zu Vermögenden spielen unsere Lebensgeschichte und die Geldbotschaften, die aus unserer Kindheit herrühren, eine wesentliche Rolle. Wie sind die Eltern mit Geld umgegangen? Welche Einstellung zu „Reichen“ wurde uns in unserer Familie – eher implizit und häufig ambivalent – vermittelt?
Zentrale Aspekte dabei sind:
- Unsicherheiten, Hemmungen
- Minderwertigkeitsgefühle
- Abneigung
- Wut
- Neid
- Bittsteller:innen-Problematik
- Angst vor Versagen / Ablehnung
Der Umgang mit Geld und damit einhergehend die Haltung zu Vermögen und Vermögenden sind meist unbewusst übernommen. Hier ein kleiner Einblick in meine eigene Geldbiographie, in der Neid, Wut, Minderwertigkeitsgefühle, ebenso wie Unsicherheiten und das Gefühl, Bittsteller zu sein, eine große Rolle spielten.
Ich komme aus einer Bauarbeiterfamilie und verbrachte meine Kindheit in einem kleinen Dorf auf dem Land. Mein Vater schimpfte in seiner Stammkneipe gemeinsam mit seinen Kumpels auf die reichen Nichtstuer und Besserwisser, die den „kleinen Mann“ ausnutzen und die Arbeit machen lassen. Es gab Familien im Dorf, so hieß es bei uns, die was Besseres sein wollen. Auch auf die Brüder meiner Großmutter, die sich das väterliche Unternehmen „unter den Nagel gerissen“ hätten, wurde kräftig geschimpft. Zu Weihnachten „mussten“ wir Kinder dennoch zu den „bösen“ reichen Tanten und Cousins meines Vater gehen, um uns unsere Geschenke abzuholen.
Ein wesentlicher Schritt, um selbstbewusster mit Großspender:innen umzugehen, ist es, sich die eigene Geldbiographie und -einstellung bewusst zu machen. Wer beim Umgang mit (potenziellen) Großspender:innen immer das Bild des „wandelnden“ Geldscheins vor Augen hat, verschließt sich den Möglichkeiten, eine für beide Seiten gewinnbringende Beziehung aufzubauen. Nicht vergessen werden darf allerdings auch: Die Reichen sind unter uns. Viele „outen“ sich nicht aus Sorge vor den Reaktionen von Menschen, die weniger als sie selbst besitzen.
Was tun und was besser nicht tun im Umgang mit Großspender:innen
Es gibt eine ganze Reihe von Fundraising-Weisheiten, die für das Großspenden-Fundraising von besonderer Bedeutung sind. An dieser Stelle will ich lediglich zwei herausgreifen:
- Fundraising ist die sanfte Kunst des Lehrens der Freude am Spenden. => Viele Vermögende müssen das Spenden großer Beträge erst lernen, bedürfen des Heranführens und der Überzeugung.
- Menschen spenden an und für Menschen, nicht für Organisationen. => Großspender:innen brauchen Brückenbauer:innen und Vertrauenspersonen, also möglichst auch konkrete Ansprechpersonen in einer Organisation.
Gleichzeitig aber gibt es zahlreiche Verhaltensweisen im Umgang mit (potenziellen) Großspender:innen, die des Öfteren großen Fundraising-Erfolgen im Wege stehen:
- Mit der Tür ins Haus fallen
- Mutproben (wie einfach mal jemanden um einen großen Spendenbetrag zu bitten, zu dem/der bislang zu keinerlei Verbindung bestand)
- Zuviel reden – zu wenig zuhören
- Kritische Nachfragen als Ablehnung werten
- Alles auf die Goldwaage legen
- Sich auf Streitgespräche einlassen
- Themen rund um „Arm“ und „Reich“ diskutieren
Tipps für den Umgang mit (potenziellen) Großspender:innen
Den oder die typische Großspender:in gibt es nicht. Daher gilt es, die Aktivitäten für jede Einzelne und jeden Einzelnen passgenau maßzuschneidern. Doch gleichzeitig ist eine systematische Vorgehensweise notwendig, um die wesentlichen Schritte, Phasen und Ziele in der Beziehung zu einzelnen Großspender:innen nicht aus dem Auge zu verlieren. Ein hilfreiches Instrument ist dabei das Vorgehen entlang der sieben Phasen des Major-Donor-Zyklus: Identifizierung, Qualifizierung, Planung/Strategie, Kultivierung und Beziehungsgestaltung, Spendenbitte, Dank, Stewardship.
Bei den folgenden Anregungen handelt es sich nicht um Geheimtipps oder gar Tricks, denn die gibt es nicht. Doch immerhin: Es existieren einige gutwirkende „Gegenmittel“ gegen die „Scheu“ vor Großspender:innen:
- Eigenes Kommunikationsverhalten gut kennen und daran arbeiten (auch „ausprobieren“).
- Gute Vorbereitung ist das A und O, inkl. Recherchen (auch über Förderverhalten) und durch Fragen anderer.
- Jeden Kontakt mit dem/der Großspender:in mit Überlegung und Umsicht planen.
- Türöffner:in und/oder inhaltliche Aufhänger nutzen
- Realistische Ziele festlegen, auch für jeden einzelnen Kontakt mit Großspender:in
- Bei persönlichen Gesprächen: Ort, Zeitrahmen, wer dabei, Gesprächsziel, was mitbringen bzw. schicken
- Um Rat bitten (wenn passend)
- Immer mit einem nächsten Schritt abschließen, dabei das „Heft des Handelns“ in der Hand behalten.
Großspenden-Fundraising zahlt sich aus
In seiner Kolumne in ZEIT-ONLINE mit dem Titel „Wieso spenden Reiche in Deutschland so wenig?“ vom 24.02.2023 wirft Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des renommierten DIW Berlin, eine Thematik auf, die wir Großspenden-Fundraisende schon lange beobachten. Es gibt noch viel Luft nach oben bei Anzahl und Umfang großer Spenden hierzulande. Wir wissen längst: das Großspenden-Fundraising kann einen großen Beitrag dabei leisten, hier neue Höhen zu erklimmen. Denn, so Ise Bosch in ihrem Buch „Besser spenden! (Herder Verlag 2021): „Menschen mit verfügbarem Vermögen, die gewillt sind, mehr zu tun, brauchen dabei offensichtlich Impulse, Ideen und Support.“
Großspenden-Fundraising ist zeitaufwendig und erfordert Geduld und einen langen Atem. Doch langanhaltende Beziehungen, die auf gegenseitiger Wertschätzung beruhen, tragen in der Regel reiche Früchte in Form von großen Spenden. Die Zahl der Großspenden-Fundraiserinnen und -Fundraiser in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat im vergangenen Jahrzehnt zugenommen. Eine gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist: Großspenden-Fundraising lässt sich lernen. Dies belegen auch die nachhaltigen Erfolge der mittlerweile gut 120 Absolvent:innen der Weiterbildung des Major Giving Institutes.
Foto von Priscilla Du Preez auf Unsplash