Nehmen wir einmal an: Bald steht das erste Gespräch mit einem unserer (potenziellen) Großspender an. Wir sind freudig aufgeregt, die Erwartungen innerhalb der Organisation steigen, der Druck wächst. Eine gute Vorbereitung ist die beste Voraussetzung, um sicher und gestärkt diesem ersten Gespräch entgegentreten zu können. Doch was sind Dos and Don’ts?
In der Vorbereitung auf ein solch wichtiges Treffen dauert es meist nicht lange und unzählige Fragen – und vielleicht sogar Versagensängste – kommen bei uns auf. Natürlich wissen wir um die Erwartungen in der Organisation, die mit so einem Treffen verbunden sind. Unser Anspruch an uns selbst und unser Verantwortungsgefühl tragen zusätzlich dazu bei, dass wir ein mulmiges Gefühl bekommen. Dabei ist eine gewisse Aufregung völlig normal; wir erleben sie auch im Privaten, wenn wir uns mit einem für uns wichtigen Menschen zum ersten Mal treffen. Lassen wir die Aufregung Motor sein, um die erste Begegnung gewissenhaft zu planen.
Förderrecherchen bringen relevante Informationen
Wichtig ist zunächst, alle relevanten Informationen zu sichten, weitere zu sammeln und zu analysieren. Dazu gehören in erster Linie die Daten, die uns bereits vorliegen: Historien von Spenden sowie Kontakten und darüber hinaus weitere wie biografische, finanzielle, unternehmensbezogene und philanthropische Informationen, die wir aus öffentlichen Quellen zusammentragen. Der Aufwand hierfür ist unterschiedlich, meist allerdings hoch und natürlich auch davon abhängig, ob die Person bereits in unserer Datenbank ist oder nicht. Wer kennt die Person, wie ist sie zu uns gekommen, wer hat möglicherweise weitere wichtige Informationen über sie? Diese systematische Schreibtischrecherche gibt uns Sicherheit und hilft ebenso, das Spendenpotenzial der Person einzuordnen. Klar ist, dass wir die Balance zwischen den Persönlichkeitsrechten und den Bedürfnissen der Organisation stets berücksichtigen.
„Advice Visit“ als guter Einstieg
Die Person beim ersten Treffen um Rat zu fragen ist ein bewährtes Vorgehen: Sie fühlt sich wertgeschätzt, und wir erhalten eine weitere Meinung zu unserer Frage, sei es zu einer Projektbeschreibung oder einem geplanten Event mit Spenderinnen und Spendern. Der Vorteil bei dieser „Advice Visit“-Strategie ist, dass wir uns gleichzeitig zurücknehmen und sicherstellen, dass die hauptsächlichen Redeanteile bei unserem Gesprächspartner bleiben. Denn viel wichtiger, als sich selbst mitzuteilen, ist das aktive Zuhören. Läuft das Gespräch, stellen wir weitere Fragen, die uns weitere Informationen über die Person verschaffen: Was interessiert Sie ganz besonders an unserer Organisation? Haben Sie schon mal größer gespendet? Was haben Sie mit Ihrer großen Spende erreicht? Wer entscheidet bei Ihnen über Ihr philanthropisches Engagement? Alle Informationen, die uns bei der Spendenbitte näher an ein „Ja“ heranführen, sind wichtig.
Ziel festlegen
Für den Erfolg des ersten Treffens ist es wichtig zu wissen, was erreicht werden soll. Dies wird leider oft nicht klar genug gemacht und somit können Erwartungen nur enttäuscht werden. Im Vorfeld also klarmachen, was durch das Gespräch erreicht werden soll, dies klar und offen kommunizieren – bei Bedarf auch gegenüber dem potenziellen Großspender. So wissen alle, um was es bei diesem Gespräch gehen soll.
Spendenbitte beim ersten Gespräch?
Natürlich haben Erstgespräche und die darauffolgenden Treffen zum Ziel, die jeweilige Person für eine Großspende zu gewinnen. Eine Spende, egal welcher Größe, erhalten wir meist dann, wenn wir danach fragen. Die Frage direkt beim Erstgespräch zu stellen kann passend oder ein absolutes No-Go sein. Hier sind Feingefühl, Intuition und genaues Abwägen gefragt. Wenn wir merken, dass der Spender noch nicht bereit für eine große, meist außerordentliche Spende ist, sind wir gut beraten, noch mehr Zeit in die Beziehungsgestaltung zu investieren. Wir könnten uns damit auch gleich zu Beginn der persönlichen Beziehung einschränken, weil die Person künftig denkt „Ich habe ja schon gegeben“. Andererseits: Wird das Thema Großspende beim Erstgespräch gleich thematisiert, kann diese frühe Spendenbitte auch ein wichtiger erster Schritt in einer Beziehung sein, die zu sehr großen Spenden führen wird.
Start der persönlichen Beziehung
Viel wichtiger, als gleich eine Spende zu erhalten, ist jedoch, mit dem Erstgespräch die Gelegenheit zu haben, in eine wunderbar bereichernde Beziehung mit dem potenziellen Großspender zu starten. Und wie im wirklichen Leben dürfen wir darauf bauen, dass beim ersten Mal nicht alles perfekt laufen muss. Es reicht, wenn wir es schaffen, dass die Person Interesse an unserer Arbeit hat, sich wohl und wertgeschätzt fühlt und wir die Gewissheit bekommen, dass wir weitere Chancen im Laufe der Beziehungsgestaltung erhalten werden, um „the ask“ zu stellen.
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Dieser Text von Jan Uekermann ist zuerst erschienen im Fundraising Magazin 4/2024, S. 78/79
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